Arkadia I - Gedichte |
I.
O uralte Berge, Gebirge Arkadiens, Ihr hehren, trotzigen, standhaften Berge! Die Ehre ist unbezahlbar, unauffindbar, die Ehre ist tot. Ein Kind muss leiden - mein eigenes Kind - In Ketten starr' ich die Kiefern an: Die Bäume sind nun meine letzte Hoffnung. II. Mein Sohn zählt neun Jahre, mein Sohn zählt neun Jahre, Neun Winter, neun Sommer. Wir laden sein Auge mit Blitzen. Er hält die Flut mit den Händen auf. Sie haben ihn mit erhobenen Armen an die Wand gestellt, Seine Atemgeräusche gemessen, Sein kleines Herz durchwühlt, Als ob wir ein jüdisches Getto bewohnten, Von Nazis umzingelt, von reißenden Bestien. Zatouna 1968: wir erleben meine dritte Verschleppung. III. Tief sind die Schneewüsten Russlands unter fegendem Nordwind, Die blonde Rasse kann helfen, der elende Sklave wartet. Man widmet uns Liebeslieder und Blumen und feurige Reden, Die anderen fallen mit ihrer Flotte in die Bucht von Phaliron ein. Die Sklaven dulden und seufzen: Eine weitere Generation ist erledigt. Fürs Jahr 1999 verheißt uns jeder das Paradies! IV. Westen, dein Ohr ist verstopft und dein Blick ist verschleiert, Westen, Wie ein schwerer Mantel erstickt der Konsumzwang die Seele. Deine Kultur sind rauchende Trümmer, dein Gerede summt wie die Mücken, Die dem Morast deiner Hochindustrie entschwirren, Seuchen verbreiten, Lügen und Heuchelei. Fünfhunderttausend Tote in Indonesien, Konzentrationslager, neue, im alten Europa; Im Schatten der Akropolis wird verbannt, deportiert. Doch du siehst nichts und hörst nichts: Du braust mit zweihundert Sachen Im neuesten Sportmodell deinem eigenen Tod zu. V. Ich bin Europäer und habe zwei Ohren. Eins dient mir zum Hören, das andre bleibt taub. Wenn ein Tscheche, ein Russe, ein Pole aufstöhnt Nimmt jeder dran teil, der Himmel droht einzustürzen! Doch wenn ein Schwarzer, ein Grieche, ein Hindu gequält wird, Geht's mich nichts an. Gott wird den Leuten schon helfen. Ich bin Europäer und habe zwei Ohren. Das eine ist nur für das Zähneknirschen des Ostens empfänglich. Der Faschismus klopft wieder an meine Tür. Nun, mag er! Sein Klopfen Schreckt mich nicht aus dem Schlaf. Ich habe zwei Ohren, das eine gewaltig, das andre verkümmert. Selig und selbstgewiss schwelg' ich in meiner Kultur. © Mikis Theodorakis |